6. Lehrerfortbildungen in den Ferien

6. Leserbrief an den Tagesspiegel vom 11.8.2000 (nicht veröffentlicht)

Thema: Lehrerfortbildungen in den Ferien

Leserbrief zur Diskussion über
Sobald es um die Lehrerarbeitszeit geht, schlägt offensichtlich die Stunde der Vereinfacher. Zunächst bedient sich der Arbeitgeberpräsident Hundt des Vorurteils, dass LehrerInnen drei Monate Urlaub hätten, also viel mehr als andere ArbeitnehmerInnen. Wer will sich auch schon vorstellen, dass Ferien für viele Lehrerinnen nicht gleich Urlaub sind. Lehrer arbeiteten doch sowieso nur vormittags und nachmittags hätten sie frei. Wirklich alle? Gleichgültig, welche Fächer und an welcher Schule sie unterrichten?
Welche Vereinfachung halten die Gewerkschaften diesem Vorurteil entgegen? LehrerInnen arbeiteten schon so 45 bis 50 Stunden in der Woche und hätten deshalb allemal Anspruch auf drei Monate Ferien, in denen sie auch noch auf vielfältige Weise ihren beruflichen Verpflichtungen nachgingen. Wirklich alle?
Wie sieht nun aber die Wirklichkeit aus?. Es gibt die LehrerInnen, die ohne staatliche Anordnung sich den Anforderungen der Zeit stellen und sich u.a. laufend fortbilden. Diese Gruppe hat sicherlich auch schon hinreichende Kenntnisse über die modernen Kommunikationstechnologien erworben, selbst wenn einige SchülerInnen ihnen dabei überlegen sein sollten, was aber nicht unbedingt nachteilig sein muss. Wie schön wäre es für diese KollegenInnen, wenn Unterrichtsräume nicht mehr den Charme der 50er Jahre des verblichenen Jahrhunderts ausströmten und ein zeitgemäßes Equipment hätten.
Es gibt aber genauso auch diejenigen LehrerInnen, die drei Monate Jahresurlaub als Selbstverständlichkeit genießen, ohne vorher die von den Gewerkschaften genannte wöchentliche Arbeitszeit annähernd zu erreichen. Für diese Gruppe dürften Fortbildung und zusätzliches Engagement Fremdwörter sein.
Die Gesellschaft hat insgesamt das Recht, von ihren im internationalen Vergleich nicht schlecht bezahlten LehrerInnen einen Nachweis über Fortbildungen zu verlangen. Ob diese dann in den Ferien, am Wochenende oder nachmittags stattfinden, sollte zweitrangig sein. Die Engagierten unter den KollegenInnen können diesem gesellschaftlichen Anspruch bestimmt schon jetzt genügen und sollten deshalb den Hundtschen Vorschlag gelassen aufnehmen. Die andere Gruppe sollte sich vielleicht an ihren Amtseid erinnern und sich nicht mehr hinter der ersten Gruppe verstecken.
Alle Diskussionen über Lehrerarbeitszeiten und –fortbildungen hätten vermutlich dann erst ein Ende, wenn der Lehrerschaft über die Ferien der Beamtenstatus abhanden kommen würde und die Gesellschaft der zweiten – vermutlich auch kleineren Gruppe – auf die Füße treten könnte, also denjenigen, die weder in der Unterrichtszeit noch in der unterrichtsfreien Zeit ihren Verpflichtungen nachkommen.

5. Demo (Sternmarsch) am Samstag, dem 11.3.00

5. Leserbrief an den Tagesspiegel vom 11.3.2000 (veröffentlicht)

Thema: Demo (Sternmarsch) am Samstag, dem 11.3.00

Diese Demo ist nicht meine Demo. Die Forderungen für einen Abbau der Bildungsmisere könnte ich als Lehrer unterstützen. Als Betroffener empfinde ich aber die Losungen gegen die Erhöhung der Lehrerarbeitszeit für völlig fehl am Platze. Von den Lehrern ist als Landesbeamte bei der dramatischen finanziellen Situation des Landeshaushalts ein Sparbeitrag zu erwarten und zu verlangen, schon allein aufgrund ihres gesicherten Arbeitsplatzes, um den sie zu Recht von vielen heute beneidet werden. Für mich ist auch das Argument, Berliner Lehrer würden mehr arbeiten als Lehrer in anderen Bundesländern, in Anbetracht der Tatsache, dass der Berliner Landeshaushalt zu einem erheblichen Teil von diesen Bundesländern finanziert wird, abwegig und wird deshalb dort auf taube Ohren treffen.
Statt in Sackgassen zu rennen hätte für intelligente Lösungen demonstriert werden müssen, für ein neues Arbeitszeitmodell, bei dem der unterschiedliche Aufwand für Vor- und Nachbereitungen endlich berücksichtigt wird, für die Abschaffung des Beamtenstatus, um zu-künftig diejenigen, die auf Kosten der Schülerschaft und der übrigen Kollegen und Kolleginnen ihre Arbeit verrichten bzw. nicht verrichten, schneller durch motivierte junge Lehrer und Lehrerinnen ersetzen zu können. Welches Armutszeugnis stellen sich eigentlich Lehrer und Lehrerinnen aus, wenn sie glauben, in einer sich immer schneller verändernden Arbeitswelt überholte Strukturen weiter verteidigen zu müssen. Reformen sind in der Tat angesagt: Wahlpflichtfach Religion, 5. Klassen an den Gymnasien, mit 12 Jahren Abitur, Zentralabitur, verstärkter mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht, sozialver-träglicher Abbau der Lehrmittelfreiheit u.s.w. Die anstehenden Reformen werden nicht nur von den Schülern mehr verlangen, sondern auch von der Lehrerschaft. Dies wollen aber zu viele wohl nicht wahrhaben. Es wäre schön, wenn eine Aufbruchsstimmung entstehen könnte, mit der die Bildungsmisere beseitigt werden könnte. Statt dessen wird mehr Gejammer zu hören sein und deshalb ist es nicht meine Demo.

4. Helmut Kohl/ CDU-Spendenaffäre

4. Leserbrief an den Tagesspiegel vom 3.2.2000 (nicht veröffentlicht)

Thema: Helmut Kohl/ CDU-Spendenaffäre

Eigentlich müsste ich unserem Altbundeskanzlers dankbar sein, hat er doch mein in den letzten Jahren aus den Fugen geratenes Weltbild wieder zurechtgerückt. Irgendwie hatte ich meinen Frieden mit Helmut Kohl gemacht. Natürlich, seine Verdienst um die deutsche Wiedervereinigung! Wer wollte die ihm wohl schmälern? Helmut Kohl am 9.11.99 am Brandenburger Tor, ein harmonisches Bild! Wo waren all die respektlosen Kommentare aus den 80er Jahren geblieben? Wo mein Entsetzen über die Abwahl eines sozialdemokratischen Bundeskanzlers im Jahre 1982? Eine niederschmetternde Vorstellung damals für mich: Der hanseatische Staatsmann wurde ersetzt durch einen merkwürdig zu groß geratenen Möchtegern aus Oggersheim.
Und da saß er nun im Kanzleramt, saß das eine und das andere Problem beharrlich aus. Gleichzeitig wurde er nicht nur politisch und körperlich immer stattlicher, sondern wahrscheinlich auch die schwarzen Geldpolster in der Schweiz, in Liechtenstein oder wer weiß wo noch, jedenfalls dort, wo die ehrenwerte Kreise ihr Geld zu parken scheinen. Da er wohl viel Zeit damit verbringen musste sich zu überlegen, wie man unauffällig das Geld wieder nach Deutschland zurückholen kann, blieben sinnvolle Reformen in den Jahren seiner Kanzlerschaft auf der Strecke, keine wegweisende Steuerreform, keine zukunftsfähige Rentenreform, kein nachfolgende Genera-tionen entlastender Abbau der Staatsverschuldung. Der Machterhalt war ihm wichtiger und dabei spielte ihm nicht nur die Geschichte am 9.11.1989 eine unverdiente Gelegenheit in die Hände, sondern offensichtlich auch viel Geld eine große Rolle.
Doch jetzt kommt nach und nach alles ans Tageslicht. Der Kaiser steht auf einmal ohne Kleider da, als einzigen Schutz nur noch ein vermeintliches Ehrenwort vor sich herhaltend. Aber auch dieses wird von Tag zu Tag durchsichtiger und was kommt zum Vorschein? Ein auf merkwürdige Art und Weise zu groß geratener, macht-besessener Provinzpolitiker aus Oggersheim. Nun stimmt- Gott sei Dank- mein Weltbild wieder.