Gedanken zur Schulpolitik aus dem Jahre 2001

2001 Gedanken zur Schulpolitik aus dem Jahre 2001

Über welche Arbeitsbedingungen haben sich wohl Lehrerinnen und Lehrer vor hundert Jahren geärgert? Bestimmt gab es viele Anlässe zum Ärgern, zum Jammern. Die Klassen waren zu groß, Unterrichtmaterialien unzureichend, die Schülerinnen und Schüler zu faul, die Klassen zu groß, die Arbeitszeit zu lang und die Bezahlung natürlich nur dürftig.
Hat sich in den letzten hundert Jahren also etwas geändert? Man muss schon sehr betriebsblind sein, um diese Frage schlicht zu verneinen. Geht es uns eigentlich nicht viel besser als unseren Kolleginnen vor hundert Jahren, besonders finanziell?

Allerdings haben wir ein Problem; wir sind, ob wir es nun wollten oder nicht, Beamte. Und der Ruf des Beamten in der Gesellschaft ist nun mal nicht der beste. Weil die Gesellschaft so böse ist? Das wäre zu kurz gedacht. So wie es auch zu kurz gedacht ist, dass sich viele nur deshalb die Lehrerschaft madig machen. weil sie selbst mal in ihrem Leben unter derselben zu leiden hatten. Wie viele mögen wohl in der heutigen wirtschaftlich äußert kritischen Zeit mit Neid auf unseren Beamtenstatus schauen. Haben wir nicht Privilegien, auch wir als Lehrer trotz vieler Missstände in den Schulen? Wir sind unkündbar, wir bekommen bereits am Anfang des Monats unser Gehalt, im Krankheitsfall gibt es 100% Gehaltsfortzahlung und zwar über die sonstige 6-Wochenfrist hinaus, keine Zwangsabgaben zu den Sozialversicherungssystemen, unsere Bezüge steigen allein aufgrund der Tatsache, dass wir älter werden, sind wir pensioniert, dann ist der Staat so freundlich uns Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu geben, und dabei spielt es keine Rolle, wann man pensioniert wurde, ob vor oder mit dem gesetzlichen Pensionsdienstalter von 65 Jahren. Es ist auch völlig unerheblich, ob Beamte, Lehrer nun engagiert arbeiten, Dienst nur nach Vorschrift machen oder ihre beruflichen Unzulänglichkeiten durch Kolleginnen und Kollegen kompensieren lassen. Ich kann gut nachvollziehen, dass andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch gerne derart privilegiert arbeiten würden. Vielleicht kann ich, dass umso besser verstehen, weil ich nicht das Glück hatte, in einem bürgerlichen Beamtenhaushalt groß zu werden, und weil ich aufgrund meines Privatlebens auch noch die Welt außerhalb des Öffentlichen Dienstes kenne. Nur eine Randbemerkung: Diese Welt da draußen sorgt mit ihren Steuern für unsere Bezüge. Das, was wir mit unserem Gehalt konsumieren können, muss erst einmal vorher in Form von Steuern wirtschaftet worden sein.

Nun tragen wir durch unsere Dienstleistung natürlich auch zur Wirtschaftsleistung Deutschlands bei und steht natürlich ein angemessenes Gehalt zu. Warum sind aber Beamte, Lehrerinnen und Lehrer so wenig bereit, dass wir heute in Zeiten knapper Kassen, besser leerer Kassen, besonders hier in Berlin leben? Warum soll das nicht auch Auswirkungen auf unsere Gehälter haben? Warum sind so viele unter uns in ihrem Denken und Handeln noch immer im Wolkenkuckucksheim des ehemals hochsubventionierten West-Berlin? Eine ehemalige Berliner Finanzsenatorin , Frau Fugmann-Heesing, hat schon vor Jahren berechtigterweise den Begriff der Wirklichkeitsverweigerung geprägt. Und leider passt er immer noch.

Für die Zukunft dieser Stadt ist es unabdingbar, dass all diejenigen, die zu den Privilegierten dieser Gesellschaft gehören, und das sind eben auch Beamte, ihren Konsolidierungsbeitrag leisten. Viele außerhalb des Öffentliches Dienstes müssen tagtäglich diesen Beitrag leisten, um nicht ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Und selbst das bewahrt sie in Deutschland aufgrund der derzeitigen grandiosen Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik leider nicht mehr vor Arbeitslosigkeit.
Warum geht es also für uns ? Ganz einfach. Wir müssen uns drauf einstellen, bei weniger Gehalt mehr zu arbeiten. So einfach und tragisch zugleich ist das. All diejenigen, die noch ihren 68-Träumen nachhängen, sollten aufwachen und begreifen, dass das marxistischen Reich der Freiheit nur für gut bezahlte Pensionäre eingetreten ist. Die zu spät Geborenen hatten diesmal nicht so viel Glück. Alles hat eben seinen Preis. Wenn eine Gesellschaft zu spät auf Veränderungen reagiert und Jahre lang über ihre Verhältnisse lebt, dann müssen eben die nachfolgenden Generationen die Zeche bezahlen. Sollte jetzt auf Druck der Gewerkschaften weiter nur herumgewurstelt werden, so werden die Folgen noch viel gravierender und kostspieliger sein .

Was kann konkret getan werden: Nullrunde bei den Tarifverhandlungen (der Finanzsenator hat recht), Arbeitszeiterhöhung (wer das nicht will, kann ja seine Pflichtstundenzahl reduzieren), Einschränkungen beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld, totale Streichung dieser Leistungen für Pensionäre, denn wie viel Geld hätte eingespart werden können, wenn dies schon vor Jahren passiert wäre (übrigens eine Forderung der Grünen)..Natürlich sollten Veränderungen auch dazu genutzt werden, bestehende Ungerechtigkeiten bei der Arbeitszeit zu beseitigen, z.B. sollten Lehrerinnen und Lehrer mit korrekturintensiven Fächern entlastet werden. Mal sehen, ob die Politik dazu den Mut hat.

Vielleicht wird dieser Senat, dieser Regierende Bürgermeister einmal in die Geschichtsbücher Berlins eingehen, weil er nämlich diese Stadt aus der größten Finanzmisere seit dem Ende des Krieges befreit hat. Das wünsche ich ihm, obwohl ich diese Regierung nicht für die beste Lösung gehalten habe, von ganzem Herzen. Um das zu erreichen muss er allerdings weiterhin den Gewerkschaften und allen anderen Organisationen, die nur die Besitzstände von privilegierten Arbeitnehmern bewahren wollen, die rote Karte zeigen, eine passende Farbe für eine rot-rote Koalition. Aber vielleicht handelt es sich im Hegelschen Sinne nur um die List der Vernunft, die sich dieser Koalition bedient, um Berlin wieder voranzubringen. Denn die jungen Generationen, die wir unterrichten, werden nur die Chance auf einen Arbeitsplatz haben, wenn dieser Konsolidierungskurs konsequent fortgesetzt wird.

7. Anmerkungen zur Bildungsmisere

7. Leserbrief an den Tagesspiegel vom 11.11.2000 (nicht veröffentlicht)

Thema: Anmerkungen zur Bildungsmisere

Der Schulsenator berücksichtigte bei der Lehrerbedarfsberechnung nach eigenen Angaben von vornherein 500 langzeiterkrankte Lehrer. Es sollen aber auch nach seinen Angaben inzwischen 730 sein. Rechnet man selbst nur mit 500 und geht davon aus, dass diese durchschnittlich 20 Pflichtstunden unterrichten, so entsteht durch diese langzeitkrankten Lehrer ein wöchentlicher Unterrichtsausfall von 10000(!) Stunden und das natürlich ent-sprechend lange. Die Stunden müssen entweder von den noch gesunden Lehrern übernommen werden oder sie fallen schlicht und wenig ergreifend aus.

Obwohl sicherlich nicht alle Langzeitzerkrankten über einen Kamm zu scheren sind, drängen sich mir aber folgende Fragen auf. Wie wäre es eigentlich, wenn für Lehrer und selbstverständlich auch für alle anderen Beamten im Krankheitsfalle dieselben Bedingungen gelten würden wie für alle anderen unselbstständig Beschäftigten? Warum entfällt nicht auch für alle Beamten nach 6 Wochen Krankheit der Anspruch auf 100% Gehaltsfortzahlung? Warum müssen z.B. Fabrikarbeiter, die durchschnittlich sicherlich weniger als Beamte verdienen, durch ihre Steuern dieses Privileg von Beamten bezahlen? Wie viel Geld ließe sich bei den langzeiterkrankten Beamten durch Reduzierung der Gehaltsfortzahlung wohl einsparen und in die Finanzierung von Stellen für junge Lehrer umlenken? Wie schnell könnte sich dadurch wohl die angespannte Situation an den Schulen entspannen?

Diese Fragen sind allerdings für Parlamente, in denen mehrheitlich Beamte sitzen, viele zu heiße Eisen. Deshalb werden sie vermutlich dort nicht gestellt, geschweige denn beantwortet. Mit der sozialen Sicherung von Beamten hat das viel zu tun, mit der Sicherung der Zukunft der Jugend herzlich wenig.

6. Lehrerfortbildungen in den Ferien

6. Leserbrief an den Tagesspiegel vom 11.8.2000 (nicht veröffentlicht)

Thema: Lehrerfortbildungen in den Ferien

Leserbrief zur Diskussion über
Sobald es um die Lehrerarbeitszeit geht, schlägt offensichtlich die Stunde der Vereinfacher. Zunächst bedient sich der Arbeitgeberpräsident Hundt des Vorurteils, dass LehrerInnen drei Monate Urlaub hätten, also viel mehr als andere ArbeitnehmerInnen. Wer will sich auch schon vorstellen, dass Ferien für viele Lehrerinnen nicht gleich Urlaub sind. Lehrer arbeiteten doch sowieso nur vormittags und nachmittags hätten sie frei. Wirklich alle? Gleichgültig, welche Fächer und an welcher Schule sie unterrichten?
Welche Vereinfachung halten die Gewerkschaften diesem Vorurteil entgegen? LehrerInnen arbeiteten schon so 45 bis 50 Stunden in der Woche und hätten deshalb allemal Anspruch auf drei Monate Ferien, in denen sie auch noch auf vielfältige Weise ihren beruflichen Verpflichtungen nachgingen. Wirklich alle?
Wie sieht nun aber die Wirklichkeit aus?. Es gibt die LehrerInnen, die ohne staatliche Anordnung sich den Anforderungen der Zeit stellen und sich u.a. laufend fortbilden. Diese Gruppe hat sicherlich auch schon hinreichende Kenntnisse über die modernen Kommunikationstechnologien erworben, selbst wenn einige SchülerInnen ihnen dabei überlegen sein sollten, was aber nicht unbedingt nachteilig sein muss. Wie schön wäre es für diese KollegenInnen, wenn Unterrichtsräume nicht mehr den Charme der 50er Jahre des verblichenen Jahrhunderts ausströmten und ein zeitgemäßes Equipment hätten.
Es gibt aber genauso auch diejenigen LehrerInnen, die drei Monate Jahresurlaub als Selbstverständlichkeit genießen, ohne vorher die von den Gewerkschaften genannte wöchentliche Arbeitszeit annähernd zu erreichen. Für diese Gruppe dürften Fortbildung und zusätzliches Engagement Fremdwörter sein.
Die Gesellschaft hat insgesamt das Recht, von ihren im internationalen Vergleich nicht schlecht bezahlten LehrerInnen einen Nachweis über Fortbildungen zu verlangen. Ob diese dann in den Ferien, am Wochenende oder nachmittags stattfinden, sollte zweitrangig sein. Die Engagierten unter den KollegenInnen können diesem gesellschaftlichen Anspruch bestimmt schon jetzt genügen und sollten deshalb den Hundtschen Vorschlag gelassen aufnehmen. Die andere Gruppe sollte sich vielleicht an ihren Amtseid erinnern und sich nicht mehr hinter der ersten Gruppe verstecken.
Alle Diskussionen über Lehrerarbeitszeiten und –fortbildungen hätten vermutlich dann erst ein Ende, wenn der Lehrerschaft über die Ferien der Beamtenstatus abhanden kommen würde und die Gesellschaft der zweiten – vermutlich auch kleineren Gruppe – auf die Füße treten könnte, also denjenigen, die weder in der Unterrichtszeit noch in der unterrichtsfreien Zeit ihren Verpflichtungen nachkommen.

Abiturrede 2000 – Gabriele-von-Bülow-Oberschule – Michael Bannert

Abiturrede Michael Bannert 2000

Liebe Abiturientinnen, liebe Abiturienten!
Zunächst möchte ich mich selbstverständlich für Ihre Wahl bedanken, ich habe mich darüber gefreut, auch wenn es mit Arbeit verbunden war, diese Rede auszuarbeiten, aber Arbeit kann auch Spaß machen. Ich wünsche Ihnen vorweg schon einmal, dass Sie im Leben auch eine Arbeit haben werden, die Ihnen Spaß macht.
Unabhängig von ihrer Entscheidung fühlte ich mich allerdings sowieso verpflichtet, Ihnen ein paar Gedanken
mit auf den Weg zu geben. Warum? Sie stellen nämlich einen Jahrgang dar, den ich sehr intensiv genießen konnte. Ich durfte eine Klasse die b. Klasse,(damals nicht bilingual, die Zeit ist nicht stehen geblieben), erst als Fachlehrer, dann später als Klassenlehrer begleiten.
Einen Profilkurs konnte ich später auch noch übernehmen , aus diesem wurde dann ein richtiger Leistungskurs. Ein paar Jahre früher hatte ich übrigens auf einer Klassenfahrt nach Hermeskeil eine Parallelklasse kennen gelernt. Zwei Oberstufenkurse hatte ich auch noch in den ersten beiden Semestern auf meine Art und Weise mit den Geheimnissen der höheren M. vertraut machen können. Vielleicht war es doch nicht die höhere Mathematik – es waren ja nur Grundkurse und dann wie gesagt auch noch meine. Diese Kurse waren mir dann aus Arbeitszeitgerechtigkeit ( so etwas gibt es auch heute noch, jedenfalls stellenweise) abhanden gekommen Das hatte immerhin den Vorteil, dass einige von Ihnen nicht mit mir in das verflixte 7.Jahr gehen mussten. Ich lernte also viele ihres Jahrgangs kennen , ich kenne Sie sozusagen fast von A-Z, aber wenigstens von Amro, der nicht mehr hier ist, und Safer, der hier ist, aber nicht mit Z geschrieben wird. Ich hatte also Standortvorteile bei Ihrer Entscheidung .
Fazit für mich: Viel mehr angenehme als unangenehme Erinnerungen, einige nachdenklich stimmende Gespräche und die eine oder andere Anregung durch Sie, innerhalb und außerhalb des Unterrichts.
Eine weitere Vorbemerkung muss ich noch machen: Ich werde mich bemühen auch immer die weibliche Anrede zu benutzen, nicht nur als Verbeugung vor den vielen Abiturientinnen, sondern auch als Ausdruck einer Selbstverständlichkeit im 21.Jahrhundert. Vielleicht gerate ich dennoch manchmal sprachlich ins alte Fahrwasser und vergesse die weibliche Form der Anrede, dann werten sie dies bitte nur als dumme Entgleisung meines resistenten Stammhirns.
Auch Emanzipation bedeutet Umdenken und das kostet natürlich Zeit und erfordert zusätzliche Anstrengung, aber diesen Preis sollten Sie, liebe Abiturienten, im Leben bezahlen , auch wenn Umdenken lästig sein kann. Wem das Gefühl für dieses Umdenken fehlt, dem sei der folgende Ausspruch eines französischen Malers und Schriftstellers spanischer Abstammung namens Francis Picabia mit auf dem Weg gegeben: Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann. Das Denken muss aber nun nicht ständig opportunistisch die Richtung ändern, aber manchmal sollten wir schon zum Umdenken bereit sein.
Sie werden nun alle in Kürze ihr Abiturzeugnis erhalten. Ich möchte mich jetzt nicht hier hinstellen und sagen, nun bilden sie sich mal nicht so viel darauf ein. Sie haben doch bestimmt schon vom Vorurteil der älteren Generationen gehört, die heutige Jugend wisse viel zu wenig und wenn sie etwas wisse und könne, dann ist es sowieso das falsche, statt eine richtige Allgemeinbildung wolle sie nur Spaß haben. Gilt sicherlich für einige, aber für alle? Peter Glotz, ehemals Wissenschaftssenator in Berlin sagte kürzlich in einer Fernsehdiskussion, das Dümmste, was die Älteren behaupten könnten, sei die Aussage, die Jugend sei dumm und faul und früher hätte man viel mehr gelernt und logischerweise auch mehr gewusst. Dies hätten zu jeder Zeit die Älteren behauptet.
Bei pauschalen Äußerungen über die Jugend sollten wir, die Älteren, vorsichtig, sehr vorsichtig sein. M.E. steckt oft hinter den abwertenden Aussagen über die fehlende Bildung der Jugend eine gehörige Portion Neid der Älteren auf die Jugend, die jene, die Älteren, nun beim besten Willen, selbst unter Aufbietung ihres gesamten Wissensschatzes nicht mehr zurückholen können.
Das Wissen von Generationen miteinander zu vergleichen ist äußerst schwierig, wahrscheinlich unmöglich. Sie haben viele Dinge lernen müssen und vielleicht auch gelernt, die zu meiner Zeit noch nicht im Rahmenplan standen oder schlichtweg unbekannt waren. In keinem Unterrichtsfach ist die Entwicklung stehen geblieben, jedenfalls was die Inhalte anbelangt.
Was Sie an schulischem Wissen behalten haben , wurde ja nun zum Teil gerade festgestellt. Für diejenigen, die beim angeblich geringen Wissen der Jugend den Untergang des Abendlandes befürchten, Folgendes zum Trost: Niemand von Ihnen, auch die nicht, die mit Ach und Krach die 100 Punkte erreichten, würde auf die Frage, wer denn Shakespeare sei, antworten, dies könnte sich um den Spielmacher der englischen Nationalmannschaft handeln. Wobei bei Lichte betrachtet, so ganz falsch wäre das nun wieder auch nicht. Sie sehen: ein bisschen Halbbildung kann gar nicht schaden, man findet so auf alle Fälle viele Gesprächspartner.
Nun will ich aber weiß Gott nicht mit meinen Bemerkungen alle von ihnen klugreden. Ohne Namen zu nennen gibt es bestimmt einige unter ihnen, denen die Götter oder meinetwegen auch die Strukturen des Kurssystems sehr wohl gesonnen gewesen sind und die auf wunderbare Weise die nötigen Punkte fürs Abitur doch noch zusammen bekommen haben. Diese sollten allerdings nicht die falschen Schlüsse daraus ziehen. Nicht immer wird man mit dem geringsten Aufwand den größten Nutzen erzielen, auch wenn das sehr ökonomisch gedacht sein mag. In diesem Fall kann für die Zukunft Umdenken nicht schaden.
Ihre Generation kann heute mit vielen Dingen wie selbstverständlich umgehen, an die früher meine Generation in ihren kühnsten Träumen nicht gedacht hat. Und wie schwer fällt es vielen meiner Generation sich auf diese moderne Welt der digitalisierten Kommunikationstechnologien einzulassen, einschließlich meiner selbst. Ich könnte hinsichtlich dieser Technologien bestimmt viel von Ihnen lernen. Ich will Ihnen an Beispielen den Wandel der Zeiten verdeutlichen. Hätte z.B. damals meine Mutti- so nannte man damals noch seine Mutter- mich aufgefordert, das Motherboard zu bringen, dann hätte ich ihr sicherlich die Kittelschürze gebracht, auch ein Handy damals unbekannt, geschweige denn ein Headset. Als ich kürzlich beim Kauf eines Handys gefragt wurde, ob ich ein solches haben möchte, wollte ich schon fast sagen, dass ich mich bereits vor 30 Jahren gegen ein Toupet entschieden hätte, ich habe dann aber noch rechtzeitig umgedacht. Obwohl damals nun kurze bzw. unfreiwillig zu kurz geratene Haare alles andere als „in“ waren, im Gegensatz zu heute.
Übrigens Glatzen damals nur ein Wort um recht grob eine zumeist männliche Anomalie zu beschreiben, heute muss dieses Wort leider auch noch dazu dienen, um diejenigen politisch einzuordnen, deren Verstand und Anstand im direkten Verhältnis zur Länge ihrer Haare stehen. Also nicht dass sie mich jetzt falsch verstehen. Hier handelt es sich weder um eine notwendige noch um eine hinreichende Bedingung. Unter kurzen Haaren könnte sich auch ein kluger und anständiger Kopf befinden und lange Haare mit oder ohne Mütze schützen nicht vor Dummheit.
Die Zeit wird auch für Sie nicht stehen bleiben. Auch in Ihrem Leben werden Sie sich auf Neues, Unbekanntes einlassen müssen, machen Sie es trotz der vielen ernsten Seiten des Lebens oft im Sinne des jetzigen Kultursenators, Christopf Stölzl,der gesagt hat, den Fröhlichen gehöre die Welt. Und denken Sie trotz aller notwendigen Pflege des Outfits daran, dass inzwischen wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass unser Gehirn wie jeder andere Muskel durch Denken und ab und zu auch durch Umdenken trainiert sein will: Das kann vielleicht später mal vor frühzeitiger Vergreisung schützen. Was Vergreisung bedeutet, das sollen sie –Aussagen Betroffener zur Folge- angeblich schon kennen gelernt haben.
Aber zurück zu Ihrem Abitur. Ihr Abitur ist die eine Seite der Medaille, was Sie daraus machen, ist die andere . Und die werden Sie vermutlich noch gar nicht so richtig erkennen können, sie wird vermutlich noch sehr verschwommen aussehen. Wie Sie die Rückseite dieser Medaille gestalten, liegt in einem erheblichen Maße nun in Ihrer Hand.
Ihr Notendurchschnitt und auf den können viele zu Recht sehr stolz sein, wird auf Dauer betrachtet nur eine statistische Größe sein, auch wenn ein besonders guter natürlich heutzutage schneller Türen und Tore öffnet. Was sie aus ihrem Wissen, ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten machen, haben Sie jetzt zu verantworten. Das sind unter Umständen Fähigkeiten, die hier in der Schule aufgrund vieler Unzulänglichkeiten, ausgebliebener Reformen weder erkannt, geschweige denn gefördert wurden, die sie möglicherweise selbst noch nicht bei sich entdeckt haben. Carpe diem! Haben Sie Mut diese Fähigkeiten zu entdecken, seien Sie kreativ zu sich selbst.
Im Leben gibt es am Wegesrand Schilder, teils große, teils kleine (oder auch kleine grüne Männchen), die einem zeigen bzw. zurufen , gewohnte Pfade zu verlassen, nicht immer nur geradeaus zu schauen, sondern auch mal unbekanntes Terrain zu erforschen. Man muss diese Schilder,. diese Rufe nur richtig deuten und vor allem, wie gesagt, den Mut dazu haben. Nun denken Sie bitte nicht, dass ich immer den Mut hatte, allen Rufen des Lebens zu folgen, keineswegs. Aber Ihrem Ruf bin ich wenigstens gefolgt.
Sie haben in der heutigen Zeit aufgrund der rasanten Entwicklung der elektronischen Medien viel mehr als frühere Generationen die Chance vom weltweiten Wissen zu profitieren, Sie könnten sich natürlich auch mit diversen Spielchen und Späßchen ablenken und den Wissensvorsprung anderen überlassen. Sie könnten allerdings auch das eine sinnvoll mit dem anderen verbinden. Die Flut von Informationen ist jetzt schon so groß geworden, dass man auch den Überblick verlieren kann und sich lieber in sein Schneckenhaus verkriecht . Angeblich fangen Menschen an ihr Recht einzufordern, nicht jederzeit und überall informiert zu werden. Bei einigen von ihnen gab es ja diesbezüglich schon hoffnungsvolle Ansätze.
Möglicherweise steckten hinter häufigem Fehlen auch ganz schlaue Motive. Sie haben sich vielleicht zu Hause mit Wichtigerem beschäftigt und haben z.B. Computersprachen gelernt. Sie hätten dann sehr zeitgemäß umgedacht. Denn merkwürdigerweise fehlen gerade solche Spezialisten bei uns. Wer da wohl die Entwicklung verschlafen hat? Ihre Generation bestimmt nicht!
Wie wird es mit Ihnen aber weitergehen ? Studium, Ausbildungsplatz, soziales Jahr, Wehrdienst, Zivildienst. alles vermutlich noch mit vielen Fragezeichen versehen. Werden auf Dauer diejenigen mehr Erfolg haben , die schon immer hier gerufen haben, obwohl sie nicht gefragt waren oder mehr diejenigen, die zu oft ihr Licht unter den Scheffel gestellt haben und am liebsten nie gefragt werden wollten, weil sie sonst doch hätten antworten müssen. Sicherlich sind die auf dem richtigen Wege- und das waren zahlreiche unter Ihnen, die bereits in der Schule Engagement, Leistungsbereitschaft und Verantwortungsbewußtsein in den unterschiedlichsten Bereichen gezeigt haben, bei diversen schulischen Projekten: Musik- Theateraufführungen, Ausstellungen, Schülerzeitungen, Teilnahme an Schulpartnerschaften, Betreuung ausländischer Gäste, Teilnahme an Ags und sportlichen Wettkämpfen , Einsatz in der Cafeteria, Mitglied in schulischen Gremien usw.
Auf dem richtigen Weg sind all diejenigen, die erkannt haben, dass die Kehrseite von Rechten Pflichten sind. Ob die Lehrerschaft insgesamt genügend Vorbild dabei für Sie gewesen ist, können Sie ja selbst am besten beantworten. Ein differenzierte Betrachtungsweise bei dieser Beurteilung lege ich Ihnen allerdings ans Herz, Lehrer sind nicht von Amts wegen schon faule Säcke.
Dinge differenziert zu betrachten gilt natürlich für uns alle. Auch das von mir schon oft erwähnte Umdenken gilt für alle, wobei ich glaube, dass damit die Jugend weniger Schwierigkeiten hätte, wenn nur die Rahmenbedingungen stimmen würden. Widerstände sind gegen dieses Umdenken in Deutschland aufgebaut worden. Sobald nur irgendjemand das Wort Reformen in den Mund nahm, formierte sich die Riege der Aussitzer, Blockierer und Besitzstandswahrer. Zu lange sträubte man sich gegen das notwendige Umdenken, so als ob wir auf einer Insel der Glückseligen lebten und als ob zukünftige Generationen z.B. durch eine unvernünftige Finanzpolitik (Stichwort Staatsverschuldung) beliebig belastbar wären.
Das Schicksal der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ist eigentlich ein warnendes Beispiel. Wenn man zu lange an alten Konzepten und Strategien festhält und der Kreativität-auch der Kreativität der Jugend- keine Spielräume gibt, nicht anfängt umzudenken, dann ist man über kurz oder lang zum Scheitern verurteilt, auf dem Spielfeld wie in der Gesellschaft.
Dieses Umdenken, scheint ja langsam zu beginnen, sollte es in Reformen umgesetzt werden, dann werden allerdings zukünftig von uns, also auch von Ihnen mehr Leistungsbereitschaft, Eigeninitiative und Eigenverantwortung verlangt werden. Das kann von Ihnen als Generation auch verlangt werden, da es noch nie eine junge Generation in Deutschland gab, die über einen derart großen materiellen Wohlstand verfügte. Der allzu fürsorgliche und überbürokratisch regulierende Staat ist ein ungerechtes und nicht mehr finanzierbares Auslaufmodell. Ein Rat: Sie sollten sich rechtzeitig auf diese Veränderungen einstellen. Ein praktischer Vorschlag: Tun Sie rechtzeitig-auch wenn das Alter für Sie noch soweit entfernt liegt, aber Sie werden irgendwann auch zu den Älteren zählen-, rechtzeitig etwas für Ihre private Altersvorsorge.
Warum erzähle ich Ihnen das? Das, was für eine Gesellschaft insgesamt gilt, das gilt auch für Sie persönlich. Fehlende Reform- und Veränderungsbereitschaft haben ihren Preis . In der Gesellschaft werden dadurch die Chancen für zukünftige Generationen vermindert, im Privaten kann das den Verlust von Freundschaft und Partnerschaft bedeuten. Gesellschaftlich werden wir im Zeitalter der Globalisierung eingefahrene Wege verlassen müssen und den Weg in eine moderne Informations- und Dienstleistungsgesellschaft nur finden, wenn wir nicht versuchen mit verkrusteten Strukturen und einem Denken von gestern und vorgestern die Probleme von heute zu meistern, geschweige denn die von morgen und übermorgen. Bei den anstehenden Veränderungen wird nach einer weiteren Aussage unseres jetzigen Bundeskanzlers manchmal Zivilcourage erforderlich sein, nämlich Zivilcourage zum Konsens und nicht zum Konflikt.
Besser als ich es sagen könnte, hat Hermann Hesse, in dem Gedicht „Stufen“ für unseren persönlichen Lebensweg die Problematik folgendermaßen zusammengefasst. (nur eine Strophe)

Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise und traulich eingewohnt
so droht Erschlaffen,
nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
mag lähmender Gewöhnung sich entraffen

Sie müssen ja jetzt aufbrechen- nicht nur nach Preerow. Für diesen Aufbruch, möchte ich Ihnen ein wenig Mut machen, indem sie Veränderungen nicht zu allererst als Bedrohung empfinden, sondern auch die Chancen, die aus diesen Veränderungen resultieren, erkennen und nutzen. Auf diese Veränderungen müssen Sie aber nicht reagieren, indem Sie sich verbiegen, sondern Sie können diese Veränderungen auch aktiv mit gestalten und dabei im Sinne von Berthold Brecht sich treu bleiben: Nur wer sich ändert, bleibt sich treu.
Vielleicht haben Sie einen Vorteil anderen gegenüber, den Vorteil nämlich in einer Stadt zu leben, in denen sich vieles bereits verändert hat, z.B. am Potsdamer Platz, und noch viel verändern muss und wird. Nehmen Sie Ihr Leben wie die Entwicklung in Berlin. Von Berlin wurde schon früher gesagt: Berlin ist eine Stadt, die nie ist, sondern immer nur wird . Sie werden hoffentlich auch nie nur sein, sondern immer im Werden sein.
Für ihr höchstpersönliches Werden wünsche ich Ihnen nicht nur Erfolg und Glück, sondern von Zeit zu Zeit auch das Gefühl, rechtzeitig zu erkennen, wann es Zeit zum Umdenken ist, wann es Zeit ist, auf das Leben zu reagieren. vielleicht auch manchmal begleitet von Selbstkritik und Selbstironie. Ich wünsche Ihnen auf Ihrem hoffentlich stufen- und erkenntnisreichen Weg Menschen, die Sie aufrichtig, zuverlässig und liebevoll begleiten. Bei ihrem/unserem Handeln sollten Sie bzw. wir es nicht zu gering schätzen in einer zwar reformbedürftigen, aber freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft zu leben. Bei der Verwirklichung ihres persönlichen Glücks sollten Sie nicht nur frohen Mutes zu Werke gehen, sondern auch immer das Glück der anderen mit berücksichtigen.
Leben Sie wohl! Da ich mich auch noch ein wenig im Werden fühle, kann ich wohl auch sagen, bis zu einem Wiedersehen!

5. Demo (Sternmarsch) am Samstag, dem 11.3.00

5. Leserbrief an den Tagesspiegel vom 11.3.2000 (veröffentlicht)

Thema: Demo (Sternmarsch) am Samstag, dem 11.3.00

Diese Demo ist nicht meine Demo. Die Forderungen für einen Abbau der Bildungsmisere könnte ich als Lehrer unterstützen. Als Betroffener empfinde ich aber die Losungen gegen die Erhöhung der Lehrerarbeitszeit für völlig fehl am Platze. Von den Lehrern ist als Landesbeamte bei der dramatischen finanziellen Situation des Landeshaushalts ein Sparbeitrag zu erwarten und zu verlangen, schon allein aufgrund ihres gesicherten Arbeitsplatzes, um den sie zu Recht von vielen heute beneidet werden. Für mich ist auch das Argument, Berliner Lehrer würden mehr arbeiten als Lehrer in anderen Bundesländern, in Anbetracht der Tatsache, dass der Berliner Landeshaushalt zu einem erheblichen Teil von diesen Bundesländern finanziert wird, abwegig und wird deshalb dort auf taube Ohren treffen.
Statt in Sackgassen zu rennen hätte für intelligente Lösungen demonstriert werden müssen, für ein neues Arbeitszeitmodell, bei dem der unterschiedliche Aufwand für Vor- und Nachbereitungen endlich berücksichtigt wird, für die Abschaffung des Beamtenstatus, um zu-künftig diejenigen, die auf Kosten der Schülerschaft und der übrigen Kollegen und Kolleginnen ihre Arbeit verrichten bzw. nicht verrichten, schneller durch motivierte junge Lehrer und Lehrerinnen ersetzen zu können. Welches Armutszeugnis stellen sich eigentlich Lehrer und Lehrerinnen aus, wenn sie glauben, in einer sich immer schneller verändernden Arbeitswelt überholte Strukturen weiter verteidigen zu müssen. Reformen sind in der Tat angesagt: Wahlpflichtfach Religion, 5. Klassen an den Gymnasien, mit 12 Jahren Abitur, Zentralabitur, verstärkter mathematisch-naturwissenschaftlicher Unterricht, sozialver-träglicher Abbau der Lehrmittelfreiheit u.s.w. Die anstehenden Reformen werden nicht nur von den Schülern mehr verlangen, sondern auch von der Lehrerschaft. Dies wollen aber zu viele wohl nicht wahrhaben. Es wäre schön, wenn eine Aufbruchsstimmung entstehen könnte, mit der die Bildungsmisere beseitigt werden könnte. Statt dessen wird mehr Gejammer zu hören sein und deshalb ist es nicht meine Demo.